a poem is an ocean of thought
in a single drop of water caught
gedichte -
in wassertropfen gefangene Ozeane von Gedanken
Magdeburg-Zyklus
Magdeburg I
Bin ich jetzt für Jungfrauen
Oder für die Ghandi-Version
Allein
Der Name sollte immer Programm sein
Für diese Stadt
Wahrlich
Jungfrauen sind selten anzutreffen
Heutzutage
Ihre Macht und Größe hat die Stadt
Eingebüßt
Einzig
In den Gesichtern der Menschen
Ihrer Sprache
Ihrer Haltung –
Manchmal noch unterwürfig
Zuweilen gleichgültig
Hauptsächlich jedoch redselig und
Stolz –
Einzig hierin
Sehe ich die Jahrhunderte
Sehe ich die feste Burg
Trotzig elbig
Weit und schön
Groß und mächtig eben
Magdeburg
Magdeburg II
Schaut auf diese Sprache
Erschauern
Sie kommt aus der Brust
Aus dem Magen
Schmeckt nach Schmalz
Mit dem Salz der Erde
Bördensegen
Nach Regen geduckt
In der Sonne vergoldet
Immer Spiegel der Sprecher
Und ich verstehe euch doch
Magdeburg III
Leben am Fluss
Ist immer
Bewegung
In Bahnen auf Straßen
Aus Wasser
Aus Stein
Aus Eisen
Und vergesst mir den Gott nicht
Der Eisen und Stein und Wasser gemacht
Für alle
Die hier leben
Magdeburg IV
Der Besoffene steht am Allee-Center
Und hält mir seine Fuselflasche hin
Ich soll mit ihm trinken
Anstoßen auch
Auf bessre Zeiten
Die er gesehn hat
Die ich gesehn hab
Niemand findet es
Anstößig
Beim Weitergehen
Bewege ich die Welt
Unter meinen Füßen
Und Zeiten
Sie werden kommen
Magdeburg V
Überall Halbkugeln auch vom Otto
Die Frauen sind im Osten schöner
Sowieso
Und Luther war hier
Aber nicht wegen der Frauen
Hatte ja schon eine
Redete hier und ließ drucken
Spürt man heute kaum noch
Sagt der Freund
Und küsst die Freundin
Magdeburg VI
Nach der Autostadt nächste Abfahrt
Schrumpfstadt
Hatten über vierzigtausend Arbeit
Einst
Die Luft sagen sie
Sei viel sauberer heute
Arbeitet ja auch nur noch ein Zehntel
Bei Effemm
Ballungsgebiet schon noch
Aber auch für Hartz IV
Übah Sprahche
Da gipp datt Loite
Die sahg’n dasse unsare
Sprahche nich fastehn
Dabbaih -
Datt iss doch
Ne gants ainfache Sprahche
Wieh jehde andare auch
Unt mitt Hilfe fon diehse Sprahche
Kannze alles außdrücken
Watt du willts
Kanntse sogah
Filosofische Kontzeppte
Mitt entt-fallten
Übah datt Lehm
Odah
Die Ehwichkait
Kannze abba auch ma
Gants ainfache Gedancken
Tsu Pahpia bringenn mitt
Wenntse baispiehlswaise mah
Ainen Tekst schraibß
Ühba ne Körriehwuast
Wieh se dah sowatt fonn
Ahmsehlich zaschnippellt
Auff sonn Tella inne aigahne Sohse liehcht
Wetten dasse da manches mah
Meah stoff füa soh
Diss kuss johnen an datt
Tageslicht brincks
Alltse dencks
Siehße woll
Kannze alleß mitt
Diehse daine Sprahche
Mach’n
Gedanken über das Einfache
Das Einfache ist wichtig,
einfach wichtig.
Das Einfach ist nicht leicht,
einfach nicht leicht.
Das Einfache ist manchmal schwierig,
einfach schwierig.
Das Einfache kann so schön sein,
einfach schön.
Da sachse wat
Unt op ich mir getz grade
Meine Geranijen hier ankucke
Oda irgentwat andereß
Dat iss alles egahl
Dat wirt alles zu Staup –
Irgentwannma -
- jau, ich auch -
oder wennet Asche wirt
zuerßma
so wie fonne Tsigarre
oder so, sach ich ma,
aber dann iss da ja auch Kwalm dabei
bei die Tsigarre und die Asche
unt dat iss kwahsie wieda ne andre
Lehmsform
Also kwahsie ein andren
Agrehgahtzuhschtant
Von wat Lebenndiges
- der Kwalm-
dann iss der Mentsch also
irgentwie, sach ich ma,
ein Agrehgahtzuschtant
unt egahl in wat für ein Zuschtant er iss
sach ich ma
die Gedanken von so ein Mentsch
sint imma gleich
und fagehn sowieso nich
dat iss also dann wat Ehwigeß
Wainachtzmahkt ainz
Kannze sehn die gantzen Buhden
Sonn pah wehnichstents
Fonn main Ballkong auß
Unti Lichtah
Hamse auch pah blaue Boime diesjah dabai
Unt gestahn wah dah widda
Sonne Pannflöhtenbrigahde auße Anden tsugange
Naja, auff ihre tsehdehs stannt ahba drauf
Dasse im Allgoi ansässich sinnt
Trotsdehm: Die lufft wah am wiehbriehren
Fonn die gants dumfe Flöhte
Da hasse den Kondor pracktisch hia
Am Ballkong fobai fliegen sehn
Wache Nacht im Februar
Wie du schläfst, wenn ich still wache,
wie du dich träumst grad in ein großes Rätsel,
so gehen doch alle Wellen der Meere immer gleich,
so wehen doch alle Sande ihrer Ufer immer gleich.
Lass nur ab von allem.
Und trink von dem Wasser, das vergessen macht,
und atme aus und ein dein Leben.
In dem Tropfen ist das Meer gefangen,
in dem Korn der eine ewige Stein,
in deinem Hauch unser beider Unendlichkeit.
Dann wachst du auf,
Prokyon strahlt hell südöstlich,
und es ist spät.
Was ist schon Zeit,
wenn du im Schlaf das eine Rätsel löst
und immer die Antwort bist,
die ich verstehen kann
- nur zwischen diesen Zeilen.